Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Allgemeine Themen, die etwas mit Asterix zu tun haben und Vorstellung aktueller Asterix-Hefte, -Filme und -Produkte.

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Tennisplatzis

Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59119Beitrag Tennisplatzis »

WeissNix hat geschrieben: 29. Juli 2018 19:08 Erstere hat er, wie ich später festgestellt habe, nicht selten verhunzt (Gaston/JoJo zB),
Kann ich als Gaston-Fan bestätigen - die Übersetzung von gaston war zwar angenehm frei von rechten Bezügen, aber trotzdem grottig. Nicht nur, dass die Figuren ganz anders hießen und Gaston stark stotterte, auch die Übersetzung der Dialoge und Pointen war sehr frei und nicht selten völlig sinnverändernd.
und letztere fand ich schon als Kind meisst so schlecht, dass ich mein Taschengeld in Richtung anderer Verlage habe fliessen lassen...
Fix & Foxi war in der Tat nur ein lauer teutonisch-spießiger Entenhausen-Abklatsch. Und um in dem Zusammenhang auch mal mit einem weit verbreiteten Mythos aufzuräumen: Selbst produziert hat Kauka genau gar nichts - von den Comics hat er keinen Strich selbst gezogen und keine Sprechblase selbst gefüllt, sondern war nur Ideengeber und Verleger.
Tennisplatzis

Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59120Beitrag Tennisplatzis »

Metusalix hat geschrieben: 29. Juli 2018 14:09 Rolf Kauka war ja als Comic-Verleger nicht nur Lizenznehmer von franco-belgischen Comics. Vor Alledem war er Produzent von 'eigenen' Comics.
Siehe meinen vorigen Beitrag: er hat nichts produziert, sondern nur verlegt.
Es wäre für ihn viel einfacher gewesen, in seinen 'selbstproduzierten' Comics jede politische Linie zu fahren, die ihm beliebt. Er hätte die 'eigenen' Comics gradezu darauf hin konzipieren können. Hat er das gemacht?
Ja, durchaus. Auch in Fix und Foxi schimmerte durchaus immer wieder ein rechtes und moralisierendes Weltbild durch, wenn auch nicht so schamlos wie bei Siggi.
Zudem beschränken sich diese 'politisierten' Comic-Bearbeitungen auf einen zeitlich eng begrenzten Zeitraum, Mitte/Ende der 60er Jahre. Knapp 5 Jahre in einer mehrere Jahrzehnte dauernden Verlagshistorie. Warum nicht vorher schon? Warum danach nicht mehr?
Anstatt nur Fragen zu stellen, beschäftige dich doch erst mal selbst intensiv mit Kauka, dann wirst du feststellen, dass all dies längst gefragt und beantwortet wurde, da er auch sonst keinen zweifel an seinen rechtsreaktionären Weltbild lies, wenn auch nie wieder so schamlos wie bei Siggi und Babarras.
Auch das Fragen, die sich ein kritischer Analyst stellen sollte. Und in seiner Analyse dem Leser Antworten auf solche Fragen liefern.
Wie gesagt, das alles ist längst passiert. Recherchiere also erst mal selbst, anstatt hier den kritischen Nachfrager zu geben, dessen Frage tatsächlich längst beantwortet wurden.
Tennisplatzis

Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59121Beitrag Tennisplatzis »

Metusalix hat geschrieben: 29. Juli 2018 13:31 1.) Von Verharmlosen kann keine Rede sein.
Genau das machst du aber, wenn du immer wieder seine Rolle in der Sache derart hinterfragst, anstatt einfach mal hinzunehmen, dass durch ihn und in seinem Namen eben sehr wohl rechter Dreck publiziert wurde.
2.) Ich denke, es macht einen Unterschied, ob solch eine Textfassung zustande kommt, weil es in der ABSICHT des Textverfassenden war, 'revisionistische Hetze' zu betreiben oder ob sie zustande kommt, weil die Textverfasser einfach 'dem Volk aufs Maul geschaut' haben und relativ unreflektiert aufgegriffen haben, was damals 'Zeitgeist' war.
Nein, es macht keinen Unterschied - rechter Dreck bleibt rechter Dreck, egal aus welche Motivation. Und selbst wenn es dem damaligen Zeitgeist entsprach (was ich bezweifle, so reaktionär und ewiggestrig wie er dürfte schon damals nur noch eine Minderheit gewesen sein), na und? Muss man deshalb dem Volk sagen, was es hören will? Rechtfertigt der Zeitgeist also Antisemitismus und Nationalismus? Solche Rechtfertigungsmuster erinnern allzu unschön an die Proganda von AfD, Pegida & Co., die auch behaupten, ja nur das auszusprechen, was der Zeitgeist wäre und sich nur keiner zu sagen trauen würde.
Oder wie es Andreas C. Knigge als Quintessenz seiner Analyse, die der Kauka-Version Deutschtümelei und Rechtskonservativismus attestierte, schrieb: „Siggi und Babarras haben kein festes politisches Konzept, es reiht sich viel mehr Spruch an Spruch, Unsinn an Unsinn, was zur politischen Verwirrung und Apathie führt." - Und insoweit ist eine Kritik, die bewusste Indoktrination unterstellt und die Aussagen als 'eindeutig' wertet, eben nicht 'solide' und schon gar nicht 'fundiert'.
Du zitierst hier einen Experten, der der reihe also sehr wohl Deutschtümelei und Rechtskonservativismus attestierte, und dann behauptest du gleichzeitig, die Kritik sei nicht fundiert?
3.) Nein, es wurde damals noch nicht kritisch gesehen. Jedenfalls nicht öffentlich und wenn überhaupt nur von Vereinzelten. Schon allein deshalb nicht, weil es noch keine 'Fanscene' gab, die entsprechende Sekundärliteratur verfasste und Comics unter dem Radar von 'normalen' Journalisten liefen. Eine Rezeption, die über das Wiederkäuen von gängigen allgemeinen Schundliteratur-Klischees hinausging, fand schlicht nicht statt. Das änderte sich erst mit Aufkommen von Sammler- und Fachzeitschriften Ende der 70er. Die erste kritische Betrachtung des kaukasischen Asterix dürfte Anfang der 80er in der Comixene gewesen sein. Vielleicht etwas früher in einem der frühen Standardwerke zum Thema Comics von Fuchs und Reitberger.
Und du bist wirklich sicher, dass man das so pauschal sagen kann, nur weil es damals noch keine Comic-Fanszene und keine Comic-Analysten gab? Meinst du, die 68er-Generation, die zwei Jahre später loszogen, um u.a. gegen genausolches Altnazitum aufzubegehren, hätten diese Übersetzungen gut gefunden?

4.) Es bleibt dabei: Texte sind niemals 'zeitlos'. Für ein angemessenes Verständnis kann man die Entstehungszeit und die Umstände der Entstehung nicht einfach ausblenden und unberücksichtigt lassen. Grade bei kritischer, wertender Analyse ergibt sich sonst ein schiefes Bild und ohne 'Basis-Verständnis' werden die Ergebnisse wertlos. Weil sie eben im wahrsten Sinne des Wortes nicht 'fundiert' sind.
Hat keiner bestritten. Aber egal in welcher Lesart, ob in der heutigen oder der vor 60 Jahren, kann und sollte man fragwürdigen rechten Dreck trotzdem als solchen denunzieren und kann nicht alles entschuldigen, und bei Kauka ist man heute mehr denn je schon sehr einig über das zugrunde liegende Weltbild und dessen Motivation. Auch wenn ich mich in gefährliche Nähe zu Godwin begebe, aber mit deiner Argumentationsweise könnte man auch Mein Kampf oder den Stürmer als bloßes Produkt des damaligen Zeitgeist und Volkswillen entschuldigen.
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Nullnullsix
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Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59123Beitrag Nullnullsix »

Zunächst mal: Du attestierst Kauka, dass er rein gar nichts produziert, keinen Strich selbst gezogen, keine Sprechblase selbst getextet hat. Wer hat denn dann die Texte in den Siggi-Sprechblasen getextet? Und wie? Hatte derjenige von Kauka die Vorgabe, das so zu tun? Oder ist das von dem Texter aus eigenem Antrieb so gemacht worden und wurde von Kauka maximal im Nachhinein so dann durchgewunken oder für gut befunden? Macht es für Dich in der Beurteilung der Person Kauka keinen Unterschied, ob Kauka den Text selbst verfasst, oder nur gebilligt oder vielleicht sogar gar nicht gekannt hat, sondern lediglich als Verleger/Herausgeber für die Veröffentlichung verantwortlich ist? - Ich denke, es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man Urheber oder 'nur' Herausgeber von 'rechtem Dreck' ist. Allein schon deshalb, weil man als Urheber und Herausgeber allein für den Text verantwortlich ist, während sich andernfalls die Verantwortung auf Urheber UND Herausgeber verteilt (was die Verantwortung für den einzelnen nicht unbedingt verringert, sondern ggf. die Gesamt-Verantwortung verdoppelt). Vor allem aber macht es für mich einen Unterschied, ob man originärer Schöpfer von 'rechtem Dreck' ist oder ihn 'nur' veröffentlicht/verbreitet. Letzteres kann man nämlich theoretisch durchaus selbst dann tun, wenn man inhaltlich nicht dazu steht.
Wenn, wie Du sagst, Kauka keine Sprechblase selbst getextet hat, gibt es ja mindestens noch eine zweite Person, die das im Falle Siggi getan haben muss und die dann auch für den 'rechten Dreck' (mit)verantwortlich wäre. Und entsprechend kritisiert werden müsste. Wer ist das und wer tut das?

Zweitens: Wir sollten uns vielleicht mal über die Begrifflichkeiten klar werden: Natürlich hat Kauka Comics 'produziert', auch wenn er keinen Strich gezeichnet und keinen Text geschrieben haben sollte (was ich mal vorsichtig anzweifeln würde). Ein Verleger produziert die verlegten Produkte. Selbst dann, wenn er sämtliche Produktionsschritte in andere Hände delegiert und selbst nur organisatorische Aufgaben übernimmt. Oder nicht mal die, sondern nur als verantwortlicher Verlags-Chef seinen Kopf für die verlegten Produkte hinhält, so ist er doch 'Produzent' der Verlagsobjekte. Kuck Dir mal n Film-Vor-oder-Nachspann an: Da ist immer (mindestens) ein Produzent angegeben. Der hat im Zweifel nicht den geringsten künstlerischen, kreativen, ggf. nicht mal organisatorischen Anteil am Film, außer dem, dass er sich drum kümmert, dass der Film finanziert ist...

Drittens: Du schreibst "Auch in Fix und Foxi schimmerte durchaus immer wieder ein rechtes und moralisierendes Weltbild durch, (...)" - Wer ist da der Urheber, wenn nicht Kauka? Wieviel und welchen Einfluss hatte Kauka auf den? Und: 'Moralisierend' ist nicht zwingend rechts und nicht zwingend schlecht. Im Gegentum: Es gibt unter den Linken hochmoralische Leute und mir graut vor einer unmoralischen Gesellschaft. Zudem: Ich denke, wir müssen auch hier mit den Begriffen vorsichtig sein: 'Rechts' hat ein breites Spektrum (von schwarz bis braun). Wenn bisher von 'rechtem Dreck' die Rede war, dann haben wir ja wohl, denk ich, von braunem Gedankengut gesprochen. Wenn Du jetzt hier 'rechts' und 'moralisierend' in einem Atemzug nennst, dann klingt das eher nach 'konservativer' Gesinnung. Die kann man mögen oder nicht, aber sie bewegt sich sicher im Rahmen der 'freiheitlich-demokratischen Grundordnung' und ist als solche zu tolerieren. 'Rechter Dreck' nicht.

Viertens: Du behauptest, es wäre längst geklärt und beantwortet, warum Kauka nicht auch vor oder nach Siggi entsprechende Comic-Bearbeitungen veröffentlicht hat. Wo, bitte, ist das geklärt? Du verweist darauf, dass er 'auch sonst keinen Zweifel an seinem Weltbild' liess. Das beantwortet und klärt nun leider gar nichts. Denn da Kauka ja -wie Du sagst- keine Sprechblasen getextet hat, kann er ja nur dadurch keinen Zweifel an seinem Weltbild aufkommen lassen, dass er sich anderweitig, also außerhalb von Sprechblasentexten äußert. Das erklärt dann nicht im geringsten, warum nur Siggi und Bretzelburg vor 'rechtem Dreck' triefen während alle anderen, abertausende von Sprechblasentexten(!) davon nicht betroffen sind.

Fünftens: Egal, ob Kauka selbst Sprechblasen getextet und Striche gezeichnet hat: Es ändert nichts daran, dass eine inhaltliche Einflussnahme bei Lizenz-Material viel schwieriger ist, als es eine bei 'eigenen' Comics gewesen wäre. So bleibt die Frage, warum da und nur da?

Sechstens: Du schreibst zum Stichwort 'Verharmlosung': "Genau das machst du aber, wenn du immer wieder seine Rolle in der Sache derart hinterfragst, anstatt einfach mal hinzunehmen, dass durch ihn und in seinem Namen eben sehr wohl rechter Dreck publiziert wurde." - Hinterfragen ist nicht verharmlosen. Im Gegenteil: Hinterfragen führt (bei entsprechender Beantwortung der Fragen) bestenfalls dazu, dass aus bloßen Behauptungen, stichhaltige Argumente werden, die durch belastbare Fakten belegt werden.
Metusalix hat geschrieben: 29. Juli 2018 13:31
2.) Ich denke, es macht einen Unterschied, ob solch eine Textfassung zustande kommt, weil es in der ABSICHT des Textverfassenden war, 'revisionistische Hetze' zu betreiben oder ob sie zustande kommt, weil die Textverfasser einfach 'dem Volk aufs Maul geschaut' haben und relativ unreflektiert aufgegriffen haben, was damals 'Zeitgeist' war.
Nein, es macht keinen Unterschied - rechter Dreck bleibt rechter Dreck, egal aus welche Motivation. Und selbst wenn es dem damaligen Zeitgeist entsprach (was ich bezweifle, so reaktionär und ewiggestrig wie er dürfte schon damals nur noch eine Minderheit gewesen sein), na und? Muss man deshalb dem Volk sagen, was es hören will? Rechtfertigt der Zeitgeist also Antisemitismus und Nationalismus? Solche Rechtfertigungsmuster erinnern allzu unschön an die Proganda von AfD, Pegida & Co., die auch behaupten, ja nur das auszusprechen, was der Zeitgeist wäre und sich nur keiner zu sagen trauen würde.
Ja, rechter Dreck bleibt -unabhängig von der Motivation- rechter Dreck. Es geht aber weniger um 'rechten Dreck', sondern um eine Bewertung, Einordnung dieses rechten Drecks, bzw. derer, die ihn produziert haben. Und in der Bewertung/Beurteilung macht es dann eben sehr wohl einen Unterschied, ob ein Ewiggestriger aus Überzeugung und mit der Absicht der Indoktrination solche Texte verfasst oder ob ein 'dummer Junge' unreflektiert etwas aufschnappt und ungefiltert weiter gibt. - Das geht so'n bisschen in die Richtung: "Wer die Wahrheit nicht kennt, ist nur ein Dummkopf. Wer sie aber kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher." (Berthold Brecht) Und das sind doch die Fragen, um die es hier letztlich auch geht: Ist Kauka nur ein Dummkopf oder ist er ein Verbrecher? Und: Ist die Siggi-Textung geeignet, diese Frage zu beantworten? Wenn ja, müsste ihm zuallererst mal nachgewiesen werden, dass er nicht nur die verlegerische Verantwortung dafür trägt, sondern auch eine Urheberschaft oder mindestens Einflussnahme auf diese Art der Textgestaltung hatte...


Mann, das wird schon wieder zu lang, es gäbe noch soviel mehr dazu zu sagen und ich hab noch anderes zu tun. Deshalb an diesem Punkt nur kurz noch: Ich will Kauka weder verharmlosen, noch relativieren noch sonstwas. Bei der Wahl zwischen 'Dummkopf' oder 'Verbrecher' glaube ich ziemlich sicher, dass er näher am Verbrecher als am Dummkopf ist. Ich glaube aber NICHT, dass die Siggi-Übersetzung ein taugliches Mittel ist, dies zu begründen oder gar zu belegen. Und wer es versucht, der soll es dann bitte auch 'fundiert' und 'solide' tun, um es 'wasserdicht' zu machen. Denn wenn man eine solche 'Beweisführung' auseinander nehmen kann, dann wirkt sie kontraproduktiv, weil der Eindruck entsteht, dass nicht nur die Beweisführung nicht taugt, sondern damit auch das Ergebnis nicht stimmen würde, sondern dessen Gegenteil.

Soweit. Vielleicht später noch mal mehr... Stichwort Knigge...
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Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59230Beitrag Aktuar »

Darf ich vorsichtig daran erinnern, dass man auch Goscinny und Uderzo gaullistische Tendenzen unterstellt hat? Also ein doch deutlich "rechtes" Gedankengut? Wenn Asterix einen solchen Eindruck in Frankreich erweckt, wie wirkt dann eine authentische Übersetzung ins Deutsche? Natürlich waren Goscinny und Uderzo weder rechts noch Gaullisten - aber, wie sie selbst sagten, sie wollten unterhalten. Und man unterhält nicht, in dem man elitäre linksideologische Phrasen drischt, die kein Mensch lesen möchte, sondern in dem man dem Volk aufs Maul schaut. Die große Leistung von Goscinny und Uderzos lag darin, in diese Kopie des Volkes (jeder Franzose konnte sich irgendwo bei Galliern und Römern wiederfinden), soviel feine Ironie einzubauen, dass durchaus zum Nachdenken angeregt wurde. Wovon in der Übersetzung von Kauka natürlich gar nichts übrig blieb.
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Iwan
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Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59234Beitrag Iwan »

Hui, hier geht's aber hoch her, da muss ich doch auch mal meinen Senf dazugeben.

Das Schwerste, wenn man einen Text oder einen historischen Sachverhalt interpretieren will, ist, sich von der eigenen Zeit zu lösen und das Wissen, das man heute hat, nur geplant und kontrolliert in die Interpretation einfließen zu lassen. Ansonsten muss man eine Quelle immer mit den Augen der Menschen aus der Zeit ihrer Entstehung betrachten.
In diesem Fall bedeutet das: Es gab auch in den 50ern und 60ern Strafgesetze gegen Rassismus, Volksverhetzung und so weiter. Und ich vermute mal, dass Kauka, da er ja offenbar nie verurteilt wurde, von Juristen genau beraten wurde, was er in seine Comic-Übersetzungen reinschreiben durfte und was nicht. Zudem hatte er vermutlich einen recht guten Draht zum Publikum, denn sonst wären seine Werke ja wohl nicht verkauft worden.
Es gibt unzählige frühere Filme, Bücher, Märchen, Comics, Artikel, bei deren Lektüre sich einem heute der Magen rumdreht. Vieles davon war damals vielleicht in etwas krasser Form geschrieben, aber bei Weitem nicht verboten. Es ist möglich, dass solche Werke heute, wenn sie das Empfinden der Mehrheit zu sehr verletzen, verboten werden. Aber meistens werden sie stattdessen lediglich "entschärft". Beispielsweise wurden bei "Tim im Kongo" manche Szenen mit neuen Texten versehen. In einem anderen Tim-Album, "Der geheimnisvolle Stern", wurde der Name des Finanziers der gegnerischen Expedition abgeändert, um den jüdischen Anschein des Mannes abzumildern. Seine fiese Hinterhältigkeit schien alle Nazi-Stereotypen des Juden zu erfüllen. Ein letztes Beispiel: In der Ursprungsfassung des deutschen Titanic-Films von 1943 war klar erkennbar, dass die Eigner der White-Star-Line Juden sind, die den braven Seemann, den Kapitän, dazu treiben, mit erhöhter Geschwindigkeit zu fahren, und währenddessen im Hintergrund schmutzige Insidergeschäfte machen. Diese Anspielung wurden bei der Neuausgabe des Films gestrichen, so dass er nun problemlos gezeigt werden kann.
Auch Rolf Kaukas Werk sollte man vor dem Hintergrund seiner Zeit betrachten. Das bedeutet wie gesagt nicht, dass man nicht die heutigen Vorstellungen und Vorgaben anwenden soll. Man muss sich aber dessen bewusst sein.
Es geht um zwei getrennte Bereiche: Bei der Beurteilung seiner Person und des künstlerischen Gehalts dieser Werke sollte man die heutigen Vorstellungen so weit als möglich außen vor lassen. Und daran denken, dass er, hätte er gegen damalige Gesetze verstoßen, wohl bestraft worden wäre.
Ein ganz anderer Bereich ist die Beurteilung der Werke für uns heute. Also das, was z. B. Verlagsbosse tun müssen, wenn sie entscheiden müssen, ob man Sigi und Barrabas oder Fix und Foxi heute noch mal verlegen sollte oder nicht. Hier wäre es naiv, nur mit den Vorstellungen der Entstehungszeit an den Text heranzugehen. Und ich denke, dass für uns heute diese Übersetzungen einfach gar nicht gehen. Sie verbreiten für uns heute so viel inakzeptables Gedankengut, dass man eine Neuveröffentlichung nicht verantworten könnte. Da es ja auch hervorragende Übersetzungen der Asterix-Bände gibt, besteht nicht sehr viel Anlass, um alles in der Welt eine Neuauflage herausbringen zu müssen.

Natürlich müsste man, wenn man meiner Argumentation folgt, konsequenterweise heute alle von früher existierenden Ausgaben vernichten. Es ist, denke ich, vor allem wichtig, dass diejenigen, die sie heute noch lesen, dies im Bewusstsein einer in vielen Bereichen völlig anderen Zeitkultur tun. Die Älteren hier erinnern sich vielleicht noch an die Sissi-Filme mit Romy Schneider, die offenbar bei Erscheinen auf dem Land von den Pfarrern als hart am Rande der Pornografie bewertet wurden, weil man gelegentlich millimeterweise Brüste sieht. Und heute sieht man diese Filme an Feiertagen im Vormittagsprogramm.
Genauso sollte man bei den Werken von Kauka daran denken, mit welchem Hintergrund die Menschen damals an seine Werke gingen - um ihre historische Rolle zu bewerten. Damals war diese Sprache für Kinder ok, und man durfte noch N … sagen, während Sissi für Kinder tabu war. Heute ist es umgekehrt, die Moralvorstellungen und anderes haben sich geändert. Man darf Kinder Sissi schauen lassen, dafür wirkt die Sprache von Siggi auf uns heute verstörend. Deswegen sollten die Hefte heute nicht wieder aufgelegt und verkauft werden.
Gott sagte zum Stein: "Und du wirst Feuerwehrmann!" Der Stein sagte: "Nein, dazu bin ich nicht hart genug."
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Nullnullsix
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Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59237Beitrag Nullnullsix »

Eine Neuauflage steht ja gar nicht zur Debatte. Dürfte auch rechtlich nicht gehen.

Ansonsten: Hab jetzt auf nem anderen System mal den Blog-Beitrag (und die Kommentare) lesen können. Fazit: Der Beitrag ist eher subjektiv gehalten, bezieht sich auch nur auf die erste Folge des Abdrucks in Lupo modern, stellt eher Fragen oder gibt persönliche Empfindungen zum Gelesenen wieder und macht auch keinen Hehl daraus, dass es mit heutigen Augen betrachtet wird.
Eine "fundierte Kritik auf der Grundlage umfassender Analyse" kann das so natürlich nicht sein, aber ein solcher Anspruch wird ja auch -deutlich ersichtlich- gar nicht erhoben.
Insofern geht der Blog-Eintrag für mich in Ordnung.
Eigentlich hätte was passieren müssen, als ich auf den Knopf drückte!
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WeissNix
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Re: Kauka-Übersetzung von Asterix im Wortvogel-Blog

Beitrag: # 59239Beitrag WeissNix »

Iwan hat geschrieben: 9. August 2018 17:31 In diesem Fall bedeutet das: Es gab auch in den 50ern und 60ern Strafgesetze gegen Rassismus, Volksverhetzung und so weiter. Und ich vermute mal, dass Kauka, da er ja offenbar nie verurteilt wurde, von Juristen genau beraten wurde, was er in seine Comic-Übersetzungen reinschreiben durfte und was nicht.
...
Und daran denken, dass er, hätte er gegen damalige Gesetze verstoßen, wohl bestraft worden wäre.
Wie naiv kann man sein?
In einer Zeit, in der die meissten Staatsanwälte und Richter noch eine eigene Vergangenheit in Naziorganisationen hatten und unter ihren schwarzen Roben noch triefend braun waren, kann man wohl kaum davon ausgehen, dass gegen Kauka wegen Volksverhetzung auch nur ermittelt worden wäre. Zumal Staatsanwälte bis heute weisungsgebunden sind, und die jungen waren kaum in der Position, dass sie nicht zurückgepfiffen worden wären.
Hören Sie mal, würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich jetzt einfach aufgebe und verrückt werde? (Arthur Dent in "Per Anhalter durch die Galaxis" von D. Adams)
Wer gendert, hat die Kontrolle über seine Muttersprache verloren. (Karla Lagerfeld)
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