Nullnullsix hat geschrieben: ↑1. April 2023 23:49
[...] da haben wir den Aufbau einer Geschichte gelernt. [...] Mir scheint, dass sowas später nicht mehr vermittelt wurde [...]
Ich kann aus aktuellem Familienumfeld (Nichte auf bayrischem Gymnasium, derzeit Jahrgangsstufe 7) sagen, dass das grundsätzliche Konzept (Einleitung = Vorstellung der Figuren, des Ortes und des Themas / Hauptteil = mehrere Erzählschritte, die langsam Spannung aufbauen bis zum Höhepunkt / Schluss = möglichst kurze und prägnante Auflösung und evtl. Schilderung der Folgen) schon noch gelehrt wird. Allerdings scheint niemand so richtig eine Vorstellung davon zu haben, WIE das mit dem "Spannung steigern" tatsächlich funktioniert. In den Schulbüchern kommen da nur Tipps wie "verwende Wörter wie 'plötzlich' " oder "schreibe im szenischen Präsens". Das erscheint mir rein oberflächlich.
Die tatsächliche Spannung resultiert ja daraus, dass der Leser sich fragt, wie es weitergeht. Er überlegt, welche Probleme auftauchen könnten und wie sie gelöst werden könnten. Man überrascht ihn mit Wendungen, die glaubwürdig sind, mit denen er aber dennoch nicht unbedingt gerechnet hat. Und weil der Leser das wissen will, kann er es nicht erwarten, weiterzulesen.
All das setzt aber voraus, dass der Leser sich intensiv mit der Handlung auseinandersetzt. Und da haben wir heute ein Problem, das Weissnix hier doch recht gut trifft:
WeissNix hat geschrieben: ↑2. April 2023 01:02
Viele Kids lesen ja auch gar nicht mehr, selbst Comics nicht. Die sitzen nur noch vor mehr oder weniger grossen Displays und klicken sich durch Videos, Facebook und Instagram. Und TikTok latürnich. [...]
Dadurch "verlernen" wir (als Gesellschaft) gerade, wie man eigentlich Geschichten erzählt. Das betrifft natürlich nie alle, aber die Mehrheit eben doch. Und deshalb ist es nicht ganz so einfach, wie bdhk hier sagt:
bdhk hat geschrieben: ↑2. April 2023 10:32
Ach, das ist doch auch nur eine Variation des ewig gleichen Motivs von der verderbten heutigen Jugend. [...]
Nein, ich glaube, das ist es nicht. Und zwar schon deshalb nicht, weil es keine (reine) Jugendkritik ist. Auch die Lehrer und Eltern meiner Nichte verhalten sich ja so. Und das hat Folgen:
https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... obal-de-DE
Ich denke, das ist die wichtigste Stelle:
Der ständige Informationsfluss und die immer neuen Angebote in Form von Apps hindere die Kinder daran, ihre "exekutiven Funktionen zu trainieren". Das sind Funktionen, die dafür sorgen, dass eintreffende Informationen genutzt werden, um eigene Entscheidungen zu treffen. Diese Funktionen seien wichtig, um eigene Handlungsziele zu entwickeln und umzusetzen.
Und wer keine "eigene(n) Handlungsziele entwickeln und umsetzen" kann, kann sich auch nicht fragen, wie eine Geschichte womöglich ausgehen mag. Er wird stattdessen einfach ungeduldig und will die Lösung/Antwort vorgesetzt bekommen. Sie nicht gleich zu bekommen, frustriert diese Person eher, anstatt sie (positiv) zu reizen.
So gesehen mache ich Ferri keine Vorwürfe, er hat seine Schwächen, aber im Grunde hat er sich für einen heutigen Autor nicht schlecht geschlagen, finde ich. Ob Band 40 unter Fabcaro besser oder schlechter wird, wird sich zeigen. Das warte ich mal ganz offen ab.