Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

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Nullnullsix
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Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

Beitrag: #Beitrag Nullnullsix »

Ich würde gern noch mal auf etwas zurückkommen, was im Rahmen der Turnier-Diskussion am Rande aufploppte:
WeissNix hat geschrieben: 11. Juni 2024 13:59 (...) Die Szene in der Wüste mit den verschiedenen Stämmen zB ist so derart typisch Goscinny... (...)
Brando1988 hat geschrieben: 12. Juni 2024 14:12 Also der Gag mit den verschiedenen Kriegern in der Odyssee ist für mich seit dem ersten Lesen ein typischer Goscinny. (...)
Nullnullsix hat geschrieben: 11. Juni 2024 15:16 (...) Grade die Szene mit den Stämmen ist die nervigste im ganzen Album und deren einzige Schwachstelle: Und die ist sowas von 'typisch Uderzo' wie nur was: Sie beruht ja allein darauf, dass sich Uderzo die Mühe gemacht hat, die verschiedenen 'Uniformen' der Stämme zu recherchieren und wollte diese Recherche natürlich dann auch nicht umsonst sein lassen. - Das ist kein typischer Texter-Gag, sondern ein sehr typischer Uderzo-Gag, weil er mehr mit der Zeichnung zu tun hat als mit dem nur bemüht lustigen Wortspiel "immer den Pfeilen nach" (die noch dazu in die entgegen gesetzte Richtung weisen).
Bezgl. dieser Szene steht es also 2:1 'gegen mich', wobei ich versucht habe, meine 'Uderzo-typischer-Gag'-Position zu begründen, während eine Argumentation von Seiten der 'Goscinny-typischer-Gag'-Fraktion (noch) fehlt. Deshalb die Bitte an Euch beide, eure Sicht, warum ihr das als 'typisch Goscinny' empfindet, mal zu erläutern.

Darüber hinaus aber auch allgemein und an alle die Frage: Was ist für euch 'typisch Goscinny', was macht seinen Humor aus und so besonders und möglicherweise speziell? Könnt ihr das erklären, begründen, in Worte fassen, diese mit Beispielen unterfüttern?

Gerne auch Serien-übergreifend: Welche Charakteristika finden sich bei Goscinny 'immer'/serienübergreifend, welche sind nur speziell bei einer oder eben grade bei einer nicht? (So heißt es ja, dass Morris keine Wortspiele mochte, worauf Goscinny Rücksicht genommen haben soll und bei Lucky Luke weitgehend auf Wortspiele verzichtet. - Ich hab das nie wirklich überprüft, ob das stimmt, mir fällt aber spontan auch kein Wortspiel bei Lucky Luke ein, wohingegen mir sofort Miraculix einfällt, der an einer Stelle ja sogar behauptet, sie würden ja nie Wortspiele machen, was ein Gag auf der Meta-Ebene ist, womit wir zumindest schon mal zwei Punkte hätten, die vielleicht nicht 'typisch Goscinny' sind, aber derer er sich zumindest (auch) bedient: Wortspiele und Gags auf der Meta-Ebene.)
Eigentlich hätte was passieren müssen, als ich auf den Knopf drückte!
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WeissNix
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Re: Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

Beitrag: #Beitrag WeissNix »

Nullnullsix hat geschrieben: 19. Juni 2024 13:16 Bezgl. dieser Szene steht es also 2:1 'gegen mich', wobei ich versucht habe, meine 'Uderzo-typischer-Gag'-Position zu begründen, während eine Argumentation von Seiten der 'Goscinny-typischer-Gag'-Fraktion (noch) fehlt. Deshalb die Bitte an Euch beide, eure Sicht, warum ihr das als 'typisch Goscinny' empfindet, mal zu erläutern.
Weil ich damals beim Erstlesen des neuerschienen Albums an dieser Stelle endlich wieder ein vertrautes Gefühl hatte, was mir im Graben völlig abhanden gekommen war.
Und mich konnte noch keiner davon überzeugen, dass mich mein Gefühl damals getrogen hätte, auch Du jetzt nicht :-D
Hören Sie mal, würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich jetzt einfach aufgebe und verrückt werde? (Arthur Dent in "Per Anhalter durch die Galaxis" von D. Adams)
Wer gendert, hat die Kontrolle über seine Muttersprache verloren. (Karla Lagerfeld)
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Michael_S.
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Re: Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

Beitrag: #Beitrag Michael_S. »

Ich denke nicht, dass ich analysieren kann, was typisch Goscinny ist (dafür fehlt mir eine fundierte Kenntnis seiner Werke neben Asterix), aber ich stimme zu, dass die Szene in der Wüste sehr viel von dem hat, was gemeinhin Goscinny zugeschrieben wird und für mich definitiv kein reiner Zeichner-Gag ist. Dafür ist sie nämlich zu vielschichtig und ineinander verwoben:

- Zunächst der einfache Gegensatz, dass Asterix große Langeweile befürchtet und im nächsten Panel ist gleich volle Action.
- Dann die Feststellung, dass die Gallier nur versehentlich unter Beschuss geraten sind, weil sie verwechselt wurden. Was recht absurd erscheint, weil sie in der Wüste ja nun wirklich recht gut zu erkennen sind.
- Dann Obelix' Frage, ob sie denn wie Akkadier aussehen, bei der man als Leser wohl unwillkürlich zugeben muss, dass man selber auch nicht wüsste, wie Akkadier aussehen.
- Schließlich der modifizierte Ausspruch von Obelix, der einen bekannten Satz abwandelt. Alleine bis hier haben wir schon Witze auf ganz verschiedenen Ebenen (Handlung, Einbezug des Lesers, Vertraute Formulierungen)
- Dann wiederholt sich das ganze, was nicht nur die Absurdität der Verwechslung weiter hervorhebt (wie wahrscheinlich ist, es dass man in der Wüste gleich mehrfach versehentlich unter Beschuss gerät?), sondern auch noch die vorher aufgeworfene Frage beantwortet, indem wir postwendend sehen, wie Akkadier aussehen. Also nicht eine stumpfe Aneinanderreihung von Gags, sondern der eine Gag wird aufgelöst, während es auf einer anderen Ebene noch weitergeht.
- Mit den weiteren Wiederholungen reagiert Asterix dann zunehmend genervt, was eine gewisse Spannung aufbaut, wie er wohl beim nächsten Angriff reagiert. Immerhin ist es ja grundsätzlich eher unüblich, dass die Gallier in Deckung gehen, so dass man erwarten kann, dass sie irgendwann ihrerseits zum Angriff übergehen. Aber genau das passiert nicht, sondern die Szene wird dadurch aufgelöst, dass die Gallier als Ortsunkundige von verirrten Kriegern nach dem Weg gefragt werden. Die finale Pointe liegt dann in der ebenso unerwarteten wie wörtlich trotzdem zutreffenden Aussage, dass sie nur den Pfeilen folgen müssten. Was als Gag im Übrigen nur deshalb funktioniert, weil die Szene in dieser Länge aufgebaut wurde.
- Schließlich stellt sich dann noch heraus, dass die ganze Szene nicht nur ein lustiges Zwischenspiel war, um den Marsch durch die Wüste abwechslungsreich zu gestalten und Seiten zu füllen, sondern sie ist für die Handlung relevant, denn bei dem Beschuss geht der Wasserschlauch kaputt. Auch hier hätte ein einmaliger Beschuss zu genau diesem Zweck eher gewollt und nach einer künstlichen Wendung ausgesehen. Die liebevolle Ausgestaltung der Szene macht aus der handlungstechnischen Notwendigkeit aber in meinen Augen einen Mehrwert.

Genau das ist es, was Goscinny in meinen Augen besser konnte als Uderzo: Szenen so gestalten, dass sie ineinandergreifen und dass man der einzelnen Szene nicht sofort ansieht, ob sie nur ein lustiges Zwischenspiel ist oder die Handlung vorantreibt oder der Vorbereitung eines späteren Gags dient.

Was natürlich nicht heißt, dass diese Szene nicht trotzdem von Uderzo sein kann und er es hier geschickt verstanden hat, seine Liebe zu zeichnerischen Details mit der Gesamthandlung und einer lustigen Szene in Einklang zu bringen.
asdert
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Re: Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

Beitrag: #Beitrag asdert »

Goscinny-typisch finde ich die hintergründigen Gags, die vordergründig schon witzig sind, aber mit etwas Hintergrundwissen dem Leser eine weitere Humor-Ebene öffnen.

Beispiel 1: Am Ende des Kleopatra-Bands sagt Asterix „Und wenn Ihr eines Tages Lust habt, etwas anderes zu bauen, einen Kanal zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer vielleicht, dann holt einen von uns“. Als Kind fand ich das gut und zufriedenstellend, ich wusste, dass damit der Suez-Kanal gemeint war. Als ich lange, lange Zeit später erfahren habe, dass der Kanal von Franzosen geplant und gebaut wurde, da ging mir ein Leuchtturm auf.

Beispiel 2: „Ein Kaiser, den die Korsen akzeptieren, muss ein Korse sein“. Auch hier funktioniert die Geschichte, ohne dass man weiß, dass es später einen Kaiser aus Korsika gab. Die meisten Leser dürften aber schon von diesem gehört haben und schon hat der Text eine weitere Bedeutung.

Solche doppelbödigen Witze waren für mich immer ein Kennzeichen für Asterix. Mir scheint, dass sie in der Uderzo-Phase seltener geworden sind oder nicht so tief gehen.
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WeissNix
AsterIX Bard
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Re: Was ist (allgemein und im Speziellen) 'typisch Goscinny'?

Beitrag: #Beitrag WeissNix »

Ja, und zu dieser Hintergründigkeit passen eben in der Wüstenszene der Odyssee die ewigen Stammesfehden im Nahen Osten, die im Prinzip seit Beginn der Sesshaftigkeit nie wirklich weg waren.
Hören Sie mal, würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich jetzt einfach aufgebe und verrückt werde? (Arthur Dent in "Per Anhalter durch die Galaxis" von D. Adams)
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