Michael_S. hat geschrieben: ↑14. März 2022 20:35 (...)
Es steht niemandem zu, sich einfach mal die Freiheit zu nehmen, eine allgemeine Vorschrift zu missachten. Und die Konsequenzen zu tragen ist kein billiger Deal, den man halt mal machen kann, wenn es einem das Risiko gerade Wert ist. Eine vorsätzliche Missachtung der Straßenverkehrsordnung ist falsch. Immer. Auch wenn du nicht erwischt wirst. (...)
Du gestattest aber schon, dass man das auch anders sehen kann und darf?
Ich bin durchaus ein Freund der Straßenverkehrsordnung, insbesondere des §1, den man mMn von der 'Teilnahme am Straßenverkehr' auf alle Bereiche des menschlichen Miteinanders übertragen könnte - und wenn sich dann jeder daran hielte, würde vieles sicherlich besser laufen.
§ 1
Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Da ist von Vorsicht und Rücksicht die Rede, dass man niemanden schädigen oder gefährden soll und nur soweit behindern oder belästigen soll, wie eben den Umständen nach unvermeidbar. Als allgemeine Regel für alle und überall wäre damit ein Krieg, wie aktuell in der Ukraine zB komplett ausgeschlossen. Soweit also eine gute Regel.
Aber alle weiteren Regeln der StVO dienen mMn lediglich der praktischen Ausgestaltung dieser Grundregeln sind also quasi dieser untergeordnet. Und deshalb ist meine Hauptkritik an der StVO, dass sie nicht die Regel enthält: "Wer gegen einen der §§2ff verstößt, OHNE dabei jemanden zu schädigen, gefährden, behindern oder belästigt, also ohne GLEICHZEITIG auch gegen §1 zu verstoßen, wird nicht bestraft." Ein Schild, eine Ampel, eine Fahrbahnmarkierung usw. sind nun mal nicht in der Lage, eine 'Einzelfallentscheidung' zu treffen oder die konkreten 'Umstände' der Situation zu beurteilen. Hier sollte mMn mehr auf die Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer gesetzt werden. In Großbritannien zB gibt es Stellen, da gibt es kein Schild mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit, sondern es steht einfach 'SLOW' auf der Straße. Da kann dann jeder selbst zusehen, wie schnell für ihn 'SLOW' ist. Und wenn er dann zB aus der Kurve fliegt, war er offensichtlich nicht 'SLOW' genug... - Scheint aber zu klappen.
Kurz: Ich finde, man sollte sich immer auch vergegenwärtigen, welchem Sinn eine Regel dient und wenn der Sinn einer Regel -generell oder nur im situativen Einzelfall- nicht zum Tragen kommt, muss man sich auch nicht sklavisch daran halten. Mehr Eigenverantwortung.
Das gilt übrigens auch andersrum: Nur weil man sich regelkonform verhält, entbindet dies mMn nicht von der Eigenverantwortung: Die 'Ausrede' "Ich hab ja nur auf Befehl gehandelt", entbindet mMn nicht von einer 'Schuld' an den Folgen dieser 'Befehlsausübung'. Beispiel: Die Mauerschützen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Die haben sich auch 'nur' an die damals für sie gültigen Regeln gehalten. Trotzdem sind sie letztendlich diejenigen gewesen, die konkret geschossen haben und soweit sie dabei nicht absichtlich vorbei gezielt haben, sind sie -Befehl hin oder her- verantwortlich für die 'Gefährdung' und 'Schädigung', die daraus resultierte.
Das ist nämlich die Kehrseite einer Haltung, die eine 'Missachtung' von Regeln 'falsch' findet. 'Immer.'
Insofern: Ja, Regeln sind -jenachdem- im Prinzip gut und zu befolgen. Dabei aber nicht den Kopf und das Herz ausschalten und sich immer darüber bewusst sein, dass jeder für sich selbst die Verantwortung trägt und immer vor sich selbst grade stehen muss. Juristisch gefasste Regeln können nie 'perfekt' sein, nie die konkrete Einzelsituation berücksichtigen und werden immer Lücken lassen. Deshalb ist Mensch gefordert, in Zweifelfällen dem eigenen Verstand und Gewissen zu folgen. - Das macht ja zB auch die Entwicklung von 'künstlicher Intelligenz' für selbstfahrende Autos so schwierig: Weil es eben nicht klar zu entscheiden und dann eindeutig zu programmieren ist, ob das Auto, wenn es sich zwischen 'ein Kind überfahren' oder 'eine Gruppe Rentner überfahren' entscheiden MUSS, sich so oder so entscheiden soll.
Vom Generellen über den Straßenverkehr zurück zum Quiz: Natürlich gab es keine 'Notwendigkeit' in dieser Weise die Regeln zu missachten. Und wäre sicherlich auch 'nach den Umständen vermeidbar' gewesen. Aber Hand aufs Herz: Es hat niemandem
geschadet, keinen
gefährdet oder ernsthaft
belästigt, sondern im Gegenteil einen raschen Fortgang des Quiz' eben grade
nicht behindert. Soviel 'Freiheit nehmen' und eigenverantwortliche Einschätzung der Situation und der Umstände darf es dann schon sein. Finde ich.
Und ja, natürlich: Es gibt Menschen, die gewissenlos sind, oder aus anderen Gründen -leider- nicht in der Lage, einer Eigenverantwortung wahrzunehmen und die von einer solchen Haltung 'überfordert' sind. Es ist aber kein Argument gegen eine solche Haltung, dass nicht jeder dafür 'reif' ist - denn eine andere, 'Regeln strenger sehende' Haltung bietet genauso wenig eine Garantie, dass sich jeder an die Regeln hält. Unsere Gefängnisse sind voll von Leuten, die das nicht getan haben.